Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV)

„Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG II)“

im Dezember 2020

c_2020-12 Statement FüPoGII_BVderVertriebsmanager_teilhabe
Download Stellungnahme zur gleichberechtigten Teilhabe

Über den Bundesverband der Vertriebsmanager e.V.

In Deutschland arbeiten fast vier Millionen Beschäftigte im Vertrieb (ohne Einzelhandel), davon üben ca. 200.000 Beschäftigte eine Führungsfunktion aus.

Der Bundesverband der Vertriebsmanager e.V. (Die Vertriebsmanager) ist die führende berufsständische Vereinigung für Vertriebsmanager und Vertriebsverantwortliche aus Unternehmen, Verbänden und anderen Organisationen. Die 1.500 Mitglieder sind Führungskräfte aus allen vertriebsnahen Fachbereichen, aller Branchen und Unternehmensgrößen.

Das Ziel des Verbandes ist die Wahrnehmung der Interessen der Verbandsmitglieder. Da insbesondere vertriebliche Führungspositionen lediglich zu 10% mit Frauen besetzt bzw. im Vertrieb insgesamt nur 20% Frauen beschäftigt sind, setzt sich der Bundesverband der Vertriebsmanager e.V. unter anderem für mehr weibliche Beschäftigte im Vertrieb sowie für eine gleichberechtigte Teilhabe an Führungsfunktionen im Vertrieb ein.

Umso bemerkenswerter ist auch, dass dem Bundesverband der Vertriebsmanager e.V. als Vertreter einer vermeintlich traditionellen Männerdomäne seit 2017 eine Frau als Präsidentin vorsteht; einem 25-köpfigen Vorstandsgremium, dessen Präsidium einen Frauenanteil von 40% aufweist.

Allgemeine Anmerkungen

Daher begrüßt und unterstützt der Bundesverband der Vertriebsmanager e.V. die Weiterentwicklung des FüPoG des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) als notwendiges Instrument zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe.

Unsere nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die geplanten Regelungen für die Privatwirtschaft, die bislang größte Unternehmens- und Mitglieder-Zielgruppe des Bundesverbandes der Vertriebsmanager, und hier besonders auf die geplanten Regelungen für die Vorstände und die Aufsichtsräte. Unabhängig davon gilt sehr positiv anzumerken, dass bei den geplanten Regelungen für den öffentlichen Dienst und bei Mehrheitsbeteiligungen des Bundes ein besonderes Augenmerk auf eine Verstärkung der bestehenden Maßnahmen gelegt wurde, um somit eine höhere Anforderung als der Privatwirtschaft aufzuerlegen – damit übernimmt die Bundesverwaltung eine begrüßenswerte Vorbildfunktion.

In diesem Zusammenhang ist außerdem anzumerken, dass den Unternehmen der Privatwirtschaft durch diese geplanten Vorgaben keine großen weiteren, und vor allem keine unzumutbaren Einschränkungen auferlegt werden. Die Tatsache, dass es sich dabei um ein Mindestbeteiligungsgebot für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen handelt bzw. grundsätzlich an der „flexiblen Quote“ für die anderen Unternehmen festgehalten werden soll, ermöglicht es mittelständischen oder familiengeführten Unternehmen weiterhin eine freie Planung und Gestaltung ihrer Leitungsorgane, da deren Leitungsorgane oft nur aus bis zu drei Mitgliedern bestehen.

Unsere Stellungnahme

Im Folgenden führen wir aus, warum wir eine Frauenquote nicht nur in Aufsichtsräten, sondern auch in Vorständen als derzeit – leider – notwendiges Instrument betrachten, um den Anteil von Frauen in Top-Managementpositionen zu fördern und zu beschleunigen:

  1. Solange Frauen im Top-Management unterrepräsentiert sind, wird sich auch in den unteren Führungsebenen nur wenig ändern, da sich Unternehmensstrukturen und -kulturen erst dann erfolgreich ändern, wenn sie vom Top-Management (vor)gelebt und unternehmensweit über alle Hierarchieebenen hinweg durchgesetzt werden
  2. Viele Unternehmensstrukturen sind historisch gewachsen und orientieren sich nicht an aktuellen Gegebenheiten und Forderungen der (jungen) Gesellschaft, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern (z.B. Angebote zur Kinder- und Altenbetreuung, flexibles Arbeiten, höherer Stellenwert des Familienlebens, etc.)
  3. New Work – insbesondere beschleunigt durch Corona – ist eine Anforderung an Unternehmen, moderne Bedingungen für Frauen und für Männer zu schaffen und somit die Chancengleichheit für beide Geschlechter in allen Bereichen zu forcieren (z.B. Elternzeit wird als Erfahrung im Ausland gewertet, Führungsstellen werden geteilt und in Teilzeit angeboten, Männer werden gefördert, eine längere Elternzeit zu nehmen, Präsenzzeiten werden durch qualitative Arbeitszeiten ersetzt, Dienstreiseregelungen werden flexibler gestaltet, die Terminkultur wird modernisiert, etc.)
  4. Quotenregelung bedeutet nach unserem Verständnis die Auswahl kompetenter und gleichzeitig qualifizierter Kandidatinnen – hier sehen wir keinen Mangel, denn Frauen repräsentieren mehr als 50% der Bevölkerung. Dies gilt ebenfalls bei den Hochschulabsolventen, daher gibt es grundsätzlich genügend gut ausgebildete Frauen, die jedoch in der Vergangenheit durch unzureichendes Personalmanagement und starre Unternehmenskulturen im Laufe ihrer Karriere in jeglicher Hinsicht ausgebremst wurden
  5. Die grundsätzliche Verfügbarkeit qualifizierter Frauen, die geänderten Anforderungen an Unternehmens- und Mitarbeiterführung durch New Work und das New Normal durch Corona, sollten spätestens jetzt zu einer geänderten Bewertung der aktuellen Besetzungskriterien von Top-Managementpositionen führen: als Grundlage werden immer noch quantitative Kriterien (wie z.B. die Höhe der bisherigen P&L-Verantwortung, Anzahl geführter Mitarbeiter, verbrachte Zeit im Ausland, etc.) herangezogen. Wir befürworten eine erheblich stärkere Bewertung der persönlichen Kompetenz mit Fokus auf nachweislichen Erfolgen mit New Leadership & Mitarbeiter Empowerment, Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit
  6. Damit dies für Unternehmen als Ganzes funktioniert, müssen diese Kriterien auch vom Aufsichtsrat gelebt, eingefordert und durchgesetzt werden – hierfür sollte eben auch die Quote für die Aufsichtsräte unterstützend wirken, um diesen Denk- und Kulturwandel voranzutreiben
  7. Wir fordern zudem absolute Transparenz in Bezug auf Besetzungskriterien insbesondere dieser Positionen, um eine Vergleichbarkeit herzustellen und zu gewährleisten
  8. Da die bislang auferlegte Freiwilligkeit keinen Erfolg gebracht hat, sehen wir die Einführung einer verbindlichen Mindestquote für Frauen in Vorständen und Führungspositionen als eine zwingend notwendige Maßnahme an, die sich auch in den individuellen Zielvorgaben aller Vorstandsmitglieder widerspiegeln sollte
  9. Internationale Studien belegen zudem, dass Unternehmen mit einem signifikanten Anteil weiblicher Führungskräfte im Top-Management um bis zu 69%[1] erfolgreicher sind, weniger Risiko für das Unternehmen eingehen und nachhaltiger mit den Ressourcen umgehen. Außerdem lassen wir das Argument nicht gelten, dass die Frauenquote ein Wettbewerbs-nachteil für deutsche Unternehmen ist – wie bereits andere Länder beweisen, die erfolgreich auf mehr Frauen im Top-Management setzen (z.B. Schweden, Großbritannien, Frankreich)
  10. Außerdem wird die Frauenquote dazu beitragen, dass auch die strukturelle Diskriminierung verringert wird – Gleichberechtigung, Gleichwertigkeit und Diversität in allen Belangen muss in den deutschen Unternehmensführungen erreicht werden. Dies führt gleichzeitig zu einer Förderung einer Generation von Führungskräften, die andere, modernere Werte und zukunftsträchtigere Fähigkeiten mitbringt.

 

Unser Fazit

Die Einführung des FüPoG II ist einer von mehreren, essentiellen Bausteinen, mit denen Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich erhalten bzw. zu einer nachhaltigen Führung ausbauen wird.

Daher unterstützen wir – insbesondere für die Weiterentwicklung der Regelungen im Bereich der Privatwirtschaft

  • die Einführung einer Vorstandsquote im Sinne eines Mindestbeteiligungsgebots, d.h. für den Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmens, das aus mehr als drei Mitgliedern besteht, muss künftig mindestens ein Mitglied eine Frau und mindestens ein Mitglied ein Mann sein
  • die Einführung einer Begründungspflicht für die Festlegung der Zielgröße Null für den Vorstand, die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands und den Aufsichtsrat, einschließlich entsprechender Berichtspflichten, sowie
  • die Verbesserung und Effektivierung des Sanktionsmechanismus bei Verletzung von Berichtspflichten im Zusammenhang mit der „flexiblen Quote“.

Die deutsche Wirtschaft kann sich ihr schlechtes Abschneiden im internationalen Vergleich nicht (mehr) leisten!